«Als Kind Kunst erleben zu können, bedeutet auch, sich ein Stück Freiheit zu bewahren.»
Interview mit Prof. Dr. Thomas Beck, Direktor der Hochschule der Künste Bern HKB und Stiftungsrat von Lapurla
In Form eines Interviews werden die Stiftungsrät:innen von Lapurla vorgestellt. Dies ermöglicht einen Einblick in deren Motivation und Engagement für Lapurla. Wir wünschen spannende Lektüre mit den Antworten von Thomas Beck!
Welches Potential hat Kunst für die Frühe Kindheit?
Künstlerinnen und Künstler schaffen Erfahrungsräume, die aus ihrem individuellen Erleben und Verarbeiten der Welt entstehen. Für Kinder bedeutet dies, dass sie in der Begegnung mit Kunst sinnliche «Gegenuniversen» zur grösstenteils normierten Alltagswelt erleben können. Kleinkinder, die schon seit ihren ersten Lebensjahren direkt oder indirekt mit stereotypisierten Bildern einer omnipräsenten digitalen Welt bespielt werden, erhalten dadurch die Chance, sich spielerisch mit etwas Unbekanntem, Einzigartigem, Schönem, vielleicht auch vollkommen «Sinnfreiem» auseinandersetzen zu können. Als Kind Kunst erleben zu können, bedeutet auch, sich ein Stück Freiheit zu bewahren.
Um welchen Aspekt bereichert die Perspektive der Frühen Kindheit die Kunst?
Menschen erleben die Welt wohl nie wieder so intensiv und prägend wie in ihren ersten Lebensjahren. Sehr viele (wahrscheinlich fast alle) Künstlerinnen und Künstler greifen deshalb in ihrer Arbeit bewusst oder unbewusst, direkt oder indirekt auf Kindheitserfahrungen und frühkindlich Erlebtes zurück und übersetzen es in ihre ganz eigene künstlerische Sprache.
Du bist Begleiter der Anliegen von Lapurla der ersten Stunde. Was ist deine Motivation in deiner neuen Rolle als Stiftungsrat?
Ich bin davon überzeugt, dass das Anliegen von Lapurla von hoher gesellschaftlicher Bedeutung ist, und dass das Thema der «Kreativen Freiräume für die Jüngsten» einer breiteren Akzeptanz und Sichtbarkeit bedarf. Mein Einsatz als Direktor einer Kunsthochschule im Stiftungsrat hat aber auch einen symbolischen Wert: es zeigt das Engagement einer hoch spezialisierten tertiären Bildungsinstitution für Lapurla und damit das Potential des Themas für Berufswelt und Forschung.
Was verbindet Deine berufliche Funktion und Rolle als Direktor der Hochschule der Künste Bern mit dem Anliegen von Lapurla?
Die HKB beschäftigt sich in vielen ihrer Studiengänge mit der Vermittlung von Kunst und Kultur, ein Strategieziel unserer Hochschule widmet sich explizit unserem Profil als Ausbildungsinstitution von angehenden Kulturvermittler:innen. Und auch in der Forschung sehen wir – beispielsweise im Themenfeld «Caring Society» – grosses Potential für das Thema frühkindlicher Kunst- und Kulturerfahrung und der Entwicklung entsprechender Vermittlungsmethoden.
Welche besonderen Herausforderungen stellen sich Lapurla?
Dass die frühkindliche Begegnung mit Kunst- und Kultur für die Entwicklung individueller, kreativer Persönlichkeiten entscheidend sein kann, ist in der Breite der Gesellschaft noch nicht genügend angekommen. Es gilt deshalb, für das Anliegen von Lapurla ein Netzwerk engagierter Persönlichkeiten aufzubauen und das Thema auf die Agenda der Schweizer (Bildungs-) Politik zu setzen. Gleichzeitig wird es sehr herausfordernd sein, die Finanzierung von Lapurla in einem Umfeld zu sichern, in dem Bildung sich vermehrt in einem finanziellen Wettbewerb mit anderen gesellschaftlichen Anliegen befindet.
Wie siehst Du Lapurla in der Zukunft?
Wenn wir es schaffen, frühkindliche Bildung für Politik und Institutionen zu einer Selbstverständlichkeit kultureller Teilhabe werden zu lassen und die Finanzierung nachhaltig sichern können, wird Lapurla sich von einer politisch lobbyierenden Organisation zu einem nationalen Expert:innen Netzwerk spezialisierter Bildungsexpert:innen transformieren.
Vielen Dank für das Interview!
18.08.2023